Ich bin kreativ – und du auch!
Inhaltsverzeichnis
In meinem Umfeld werde ich oft auf meine Kreativität angesprochen. Klar, ich werde gern gelobt. Trotzdem schwingt da etwas mit, das mir Sorgen macht: Du bist kreativ, ich nicht. Manchmal denke ich, die Welt ist eingeteilt in kreative Menschen und nicht kreative. Mir gefällt diese Einteilung nicht. Ich finde sie unpassend und ungerecht. Und – ich mag mich damit nicht abfinden. Ich glaube, dass viele Menschen eine ungünstige Haltung zu Kreativität haben.
Als Designerin und Mutter wünsche ich mir, dass alle Menschen Kreativität in ihrem Leben haben. Es ist genug für alle da und – wir brauchen sie. Jeden Tag.
Ich möchte dich einladen, deine eigene Kreativität (wieder)zu entdecken und durch eine andere Brille zu betrachten.
Künstler sind kreativ – und was ist mit den anderen?
Kreativität wird oft in einen Topf mit künstlerischen Tätigkeiten geworfen und darauf beschränkt. Viele in meinem Umfeld denken, dass ich kreativ bin, WEIL ich zeichnen kann. Dem möchte ich aus zwei Gründen widersprechen:
1. Kreativität ist für mich eine Haltung:
Fähigkeiten, Erfahrungen und Ideen so (neu) zu mischen, dass etwas Neues entsteht – oft aus dem, was schon da ist. Für mich bedeutet jede Innovation eine kreative Leistung. Wenn ein Kleinkind einen Weg findet, an den hochgelegenen Naschischrank zu kommen, ist das für mich genauso kreativ, wie eine gut programmierte Software, die mir meinen Arbeitsalltag erleichtert. Wir sind leider nicht gewohnt, Kreativität außerhalb von Kunst zu würdigen.
2. Nicht alles was kreativ aussieht, ist es auch.
Tatsächlich zeichne ich jeden Tag, aber nicht immer ist das kreativ! Manche Motive habe ich schon so oft gezeichnet, dass sie in den Bereich Handwerk gehören. Ich bin Profi, habe mein Handwerk gelernt und rufe es ab. Punkt. Was der Betrachter kreativ findet, ist zunächst das Ergebnis von viel Erfahrung und Training. Kreativ wird es erst, wenn der Spieltrieb das Handwerk ergänzt. Der macht es möglich, dass mit Probieren und neu Kombinieren am Ende umsetzbare Ideen entstehen.
Weißt du eigentlich, wie kreativ du bist?
Ja, du bist kreativ! Auch wenn es dir vielleicht nicht bewusst ist, gibt es jeden Tag etwas, in dem du das beweist. Hast du vielleicht deine Arbeitsabläufe so optimiert, dass du jetzt mehr erledigt bekommst als früher? Hast du eine Strategie entwickelt, um morgens gut gelaunt in den Tag zu starten? Schaffst du es endlich, dass dein Kind ohne Murren Zähne putzt? Bist du in der Lage, ein wundervolles Essen aus Resten und irgendwelchen Zutaten aus deiner Speisekammer zu zaubern, weil du sonst erst einkaufen müsstest?
Herzlichen Glückwunsch, du bist kreativ! Wir alle sind kreativ auf unsere Weise.
Schau dir deine Lebensbereiche an, Familie, Beruf, Beziehungen, Alltag… Freue dich über deine spontanen Lösungen, guten Routinen, die du entwickelt hast und Strategien, die dein Leben jeden Tag leichter machen, als es noch vor einiger Zeit war.
Kreativität braucht Raum, wenn du sie (re)aktivieren willst
Falls du dich immer noch für unkreativ hältst, habe ich eine gute Nachricht für dich. Du kannst Kreativität lernen, genauer gesagt wieder aktivieren. Wenn Kinder auf die Welt kommen, zeigen sie schon im Babyalter eine große Kreativität. Während das eine Kind sich wie ein Frosch mit den Beinen abstößt, um vorwärts zu kommen, ziehen andere sich an der Teppichkante entlang. Kein Kind lernt auf gleiche Art zu krabbeln und zu laufen. Sie versuchen immer andere Wege, optimieren und lassen sich nicht aufhalten.
Auf dem Weg zum Erwachsenen passieren dann Dinge, die die eigene Kreativität oder auch die Verbindung zu ihr verschütten. Vielleicht ist das bei dir auch so. Das macht nichts! Dein Wissen, deine Erfahrungen und deine bisher gefundenen Strategien sind deine Grundlage und helfen dir dabei.
Die schlechte Nachricht ist: Kreativität braucht Raum, um sich zu entfalten. Wenn du deine Kreativität ausleben und wahrnehmen möchtest, dann gib ihr Platz. Manche Menschen haben die besten Ideen unter der Dusche, andere beim Autofahren oder abends im Bett. Was alle diese Situationen gemeinsam haben, ist die Ruhe, die in ihnen steckt. Ideen und Zeitdruck sind keine Freunde!
Sorge dafür, dass du am Besten täglich ein paar Momente hast, in denen du nur im hier und jetzt bist. Schau dir an, was dich abschalten lässt. Mir kommen oft Ideen, wenn ich koche oder spazieren gehe. Durchforste deinen Alltag nach Tätigkeiten oder Ritualen, bei denen du leicht deinen Gedanken freien Lauf lassen kannst.
Und noch etwas: sorg dafür, dass du immer Zettel oder Notizheft griffbereit hast, um deine Ideen auch zu notieren!
Was tun, wenn es nicht läuft…
Ich bin gewohnt für Kunden und mich selbst kreativ zu sein. Trotzdem komme ich auch manchmal an den Punkt, dass es nicht fließen will. Dann sorge ich gezielt für Impulse. Ein Spaziergang an der frischen Luft bewirkt bei mir Wunder. Wenn das nichts hilft, wälze ich Bildbände (es lebe das gedruckte, anfassbare Buch), erstelle ich Mindmaps mit frei assoziierten Stichworten oder rufe eine Freundin an und frage, was ihr dazu einfällt.
Kreativ sein macht Spaß und – ist sehr anstrengend
Ja, Kreativität macht Spaß! Und Spaß ist leider keine Tugend im preußischen Sinne. Du, zumindest aber deine Vorfahren sind wahrscheinlich mit Sätzen aufgewachsen wie “Erst die Arbeit, dann das Vergnügen”. Das impliziert, dass Arbeit und Vergnügen nicht vereinbar sind.
Kreativität ist Arbeit! Wenn sie gelingt, dann ist das anstrengend. So schön Ideen sind, brauchen sie einen gesunden Rahmen, damit sie umsetzbar sind. Oft ziehen sie Veränderungen nach sich, die Unordnung bringen. Manchmal kostet Kreativität Geld, Nerven und Zeit. Ohne die Kreativität würden wir allerdings immer noch als ewig hungrige Nomaden umherziehen. Ingenieure, Erfinder, Abenteurer und Forscher haben es möglich gemacht, dass wir heute so leben wie wir es tun. Weil sie kreativ waren, eine Idee hatten und sie mit Mut und Ausdauer umgesetzt haben.
Der Lohn dafür ist Spaß und das Gefühl, etwas geschafft zu haben. Wenn du dich also entscheidest, Kreativität bewusst in dein Leben zu lassen, dann rechne damit, dass dich das fordert und du dafür eine Portion Glück geschenkt bekommst.
Die Einstellung ist das Wichtigste
Um deine Kreativität wirklich zu entfalten, brauchst du die “richtige” Einstellung dazu. Wie kreativ du wirklich sein kannst, hängt sehr davon ab, was du darüber glaubst. Stelle dir vor, du brauchst eine Lösung für ein Problem. Wie leicht wird es dir fallen, wenn du davon ausgehst, dass es für jedes Problem eine Lösung gibt und sie dir bestimmt bald einfällt?
Gehe einfach davon aus, dass du kreativ bist!
Wenn meine Tochter mit einem Problem kommt, weiß sie meistens schon, was ich zuerst antworte: Wir finden immer eine Lösung. Und so ist es auch! Ich vermeide lange beim Problem zu bleiben und begebe mich mit ihr statt dessen auf Lösungssuche. Seit sie ganz klein ist, vermittle ich, dass die Lösung für ein Problem überall lauert- wenn wir die Augen offen halten. Meist dauert es nicht lang, bis sie eine Idee hat. Das funktioniert wirklich gut.
Sei offen für deine Kreativität und freue dich darüber. Dann wird sie dich mit Lösungen und Eingebungen belohnen.
Was sagt dein innerer Kritiker dazu?
Vielleicht hast du auch so einen inneren Kritiker, der schnell dabei ist, deine Ideen für nicht machbar zu erklären und sie im Keim erstickt. Das ist diese Stimme, die dir sagt: “Das wird nichts.” Oder “Ja, aber…” oder “Das geht nicht”. Dieser Kritiker ist wichtig, denn er schützt dich vor Gefahren wie überschwänglicher Euphorie. Wenn er aber dafür sorgt, dass du Ideen gar nicht erst anschaust, hat er zu viel Einfluss auf dein Handeln.
Denk immer dran, die Gedanken sind frei. Eine wundervolle Art mit diesem Kritiker umzugehen ist die Walt Disney Strategie. Man sagt Walt Disney nach, dass er auf diese Weise seine größten Erfolge entwickelt hat.
Diese Strategie berücksichtigt, dass wir alle verschiedene innere Anteile haben, die nur im Team gut miteinander auskommen. Der erste Schritt ist, dass du eine Idee als solche annimmst, formulierst und aufschreibst. Der nächste Schritt ist, die Einwände vom inneren Kritiker anzuhören. Was spricht dagegen? Dann kommt der wichtigste Teil: Halte Rücksprache mit deinem inneren Realisten. Was musst du tun, um deine Idee umzusetzen und den Einwänden des Kritikers gerecht zu werden
Kurz zusammengefasst:
- Du, ich, wir alle sind kreativ.
- Kreativität ist wichtig und begleitet uns jeden Tag – im Alltag, im Beruf und in der Familie.
- Kreativität ist anstrengend, fordert uns und erzeugt manchmal Chaos.
- Wir brauchen sie und machen die Welt damit so bunt, wie sie ist.
Was meinst du, wie wichtig ist Kreativität für dich? Erzähle mir in den Kommentaren, wie du dazu stehst.